Hallo Claudi, Sven, Luci und Kalle, danke, dass ihr euch Zeit nehmt. Fangen wir mit etwas naheliegendem an:
Wann habt ihr jeweils mit Judo angefangen und wie seid ihr zum Judo gekommen?
Kalle: Luci und ich haben zusammen angefangen, das war vor etwa sieben Jahren.
Luci: Ja genau, 2013.
Claudia: Richtig, ich habe damals von Werners Eltern einen Zeitungsartikel bekommen und fand den toll, deswegen haben wir uns gedacht: Bringen wir die Kinder mal zum Judo.
Sven: Genau und ich habe dann vor ungefähr fünf Jahren auch mit Judo angefangen.
Und wann fängst du an Claudi?
Claudi: (Lacht) Niemals! Das überlasse ich den dreien.
Du bist ja auch quasi „Schuld“, dass der Rest deiner Familie Judo macht, reicht ja wohl auch. Was macht euch denn Spaß am Judo?
Sven: Der Sport liegt mir! Mir gefällt die körperliche Ertüchtigung, aber auch und vor allem der Respekt untereinander.
Kalle: … ja und man kann schnell Freunde finden!
Claudia: Richtig und deswegen gibt es auch so einen starken Zusammenhalt unter den Sportlern z. B. auch bei uns im Verein.
Luci: Das ist richtig, obwohl es ein „Einzelsport“ ist, steht das Team immer hinter einem.
Kalle: Und wenn man sich anstrengt, kann man auch viele Erfolgserlebnisse haben.
Claudia: Und dann macht es natürlich auch Spaß, bei den Kämpfen zuzusehen – außer bei Armhebeln, da kann ich nicht hinschauen (lacht).
Habt ihr eine Lieblingstechnik?
Kalle: Seoi-nage!
Claudia: Ja, der sieht toll aus.
Sven: Ura-nage.
Luci: Tai-otoshi
Habt ihr Judovorbilder?
Kalle: Simon Yacoub
Luci: Luise Malzahn
Sven: René Kirsten
Claudia: Dimitri Peters
Habt ihr einen Lieblingsjudomoment – oder mehrere?
Luci: Wenn du vor dem Kampf so richtig krass Angst hast und dann doch gewinnst.
Kalle: Immer, wenn ich etwas richtig hinbekomme, was ich mir vorher vorgenommen habe.
Sven: Eigentlich immer, wenn wir mit vielen Leuten zu einem Turnier fahren und alle gutes Judo kämpfen – schön ist es, wenn das dann auch noch mit Medaillen belohnt wird.
Claudia: Und heil von der Matte kommen! Es ist ein ganz besonderer Moment, wenn bei einem bedeutenden Kampf – z. B. bei einem Finale bei einem großen Turnier – das Universum quasi stillsteht und alles um einen herum ausgeht.
Was war euer bisheriger größter Judoerfolg?
Kalle: Der Turniersieg beim Bundessichtungsturnier U15 in Berlin 2018 – da war ich eigentlich noch U13. Das hat mir die Ernennung zum Landeskader Sachsen-Anhalt eingebracht.
Luci: Silber bei den Mitteldeutschen Meisterschaften.
Sven: Am Finaltag des Landesmannschaftscups 2018 habe ich einen unglaublich harten Kampf gekämpft und gewonnen. Das war mein größter persönlicher Erfolg.
Claudia: Meine Kinder!
Und wie viele Medaillen gehen auf eure Konten?
Kalle: Ich hab‘ zufällig gestern nachgezählt: 64!
Luci: Ungefähr 65.
Sven: Zwei! (lacht)
Sven, Claudi, jetzt sind eure beiden Kinder in Halle auf der Sportschule. Was ist das für ein Gefühl?
Sven: Stolz! Ich bin mit Stolz auf die zwei erfüllt, dass sie diesen harten Weg bis dahin gegangen sind und diesen Weg auch weitergehen.
Claudia: Mir ist jetzt Zuhause manchmal langweilig (lacht). Ich bin natürlich auch stolz auf meine zwei, keine Frage!
Trotzdem wohnt ihr noch in Naumburg, wie kommt’s?
Claudia: Der Verein – Friesen Naumburg – ist ganz toll und familiär.
Sven: Genau. Egal was kommt, ich starte immer für unsere SG Friesen Naumburger „Domfalken“!
Warum sollte man eurer Meinung nach mit Judo anfangen?
Claudia: Die Judowerte sind sehr wertvoll …
Kalle: … Zum Beispiel Ehrlichkeit.
Sven: Ja, es ist anwendbar im ganzen Leben, es entwickelt deine ganze Menschlichkeit.
Luci: Weil es das Selbstbewusstsein stärkt, man sich verteidigen kann und die zehn Judowerte einfach toll sind.
Habt ihr noch ein Schlusswort?
Luci: Wie hat Kano gesagt: Es ist nicht bedeutend, dass du besser bist als andere, sondern bedeutend ist, dass du besser bist, als du gestern warst.
Sven: Gelber Schnee schmeckt nicht – nein im Ernst: Es gibt einen steinigen Weg, den es sich zu gehen lohnt!
Kalle: Weil man Legenden nicht kaufen kann!
Claudia: Friesen, Freude, Eierkuchen!
Edit: inzwischen wurde Kalle zu unserem Sport auch von der MZ interviewt. Den Artikel könnt ihr unter diesem Link abrufen: https://www.mz.de/lokal/naumburg/ziel-ist-nationaler-titel-3195373
Hallo Christian, schön, dass du dir die Zeit nimmst.
Hallöchen, sehr gerne!
Die offensichtlichen Fragen mal zuerst: Wie hast du mit Judo angefangen?
Oh da gibt es direkt eine kleine Anekdote. Ich wollte nämlich früher gar nicht zum Judo, sondern unbedingt Karate machen. 2007 gab es in Naumburg einen Aktionstag, wo sich viele Kampfsportarten vorgestellt haben und dort habe ich zugesehen. Im Anschluss bin ich also direkt zum Karatetrainer und habe gefragt, wie deren Trainingszeiten sind... unter anderem war Sonntag um 9 die Antwort, das war mir dann doch zu früh… Beim Verlassen der Halle wurden mein Papa und ich von einem anderen Trainer gefragt, ob es uns gefallen habe und ob wir für mich einen Sport gefunden hätten. Dem war nicht so und so lud er uns zum einem Probetraining ein, Montag 17:00 Uhr in eben jene Halle zu kommen, in der auch diese Aktion stattfand: die alte Turnhalle in der Seminarstraße.
Und so ging ich das erste Mal zum Judo und blieb dort bis heute.
Und warum bist du bis heute beim Judo geblieben?
Ich fand sehr schnell Anschluss und Freunde im Verein, beim Sportunterricht in der Schule hatte ich nach kurzer Zeit bessere Noten zum Beispiel im Seilspringen und Turnen, aber vor allem ist es der Spaß am Sport, der mich gehalten hat. Jener Spaß steht und fällt immer mit dem Trainer, und so ist es auch und hauptsächlich Werners Verdienst, dass ich Judo lieben gelernt habe.
Du bist ja ein Ur-Naumburger Judoka, trainierst jetzt aber bei der SG Motor Babelsberg, wie ist es dazu gekommen?
Nach meinem Abitur zog es mich zum Studium fort aus Naumburg. Seit 2018 wohne ich deshalb in Potsdam. Dass ich dort weiter Judo machen wollte, stand fest. Deshalb habe ich, als die Entscheidung auf Potsdam fiel, meine brandenburgischen Kampfrichterkollegen gefragt, welchen Verein sie mir empfehlen können und so kam ich letztendlich nach Babelsberg, wo ich sehr herzlich aufgenommen wurde.
Und die Babelsberger haben ja auch jemand herzlichen gewonnen. Du bist ja unser Kampfrichter-Experte und Anfang des Jahres 2020 hast du die Prüfung zum Bundes-B-Kampfrichter bestanden. Darunter können sich bestimmt nicht alle etwas vorstellen. Kannst du das mal ein bisschen erklären? Hat jeder Verein einen Bundes-B-Kampfrichter?
Um die Frage vorweg zu nehmen: Nein, nicht jeder Verein hat einen Bundeskampfrichter in seinen Reihen. Der Grund dafür ist einfach: um eine nationale Kampfrichterlizenz zu erlangen, muss man vorher eine Reihe anderer Lizenzen gehabt haben. Wenn man das erste Mal zu einem Kampfrichterlehrgang fährt, erhält man nach bestandener Prüfung seine Kreislizenz (E-Lizenz). Damit darf man prinzipiell auf fast alle Vereinswettkämpfe fahren und dort schiedsen. Dabei ist es egal, welche Altersklasse dort kämpft. Man darf mit dieser Lizenz aber keine Kämpfe auf offiziellen Turnieren wie Meisterschaften oder Bundessichtungsturniere leiten. Dafür benötigt man, je nach Ebene eine höhere Lizenz. Diese erwirbt man immer durch eine schriftliche und praktische Prüfung. Entscheidet man sich für eine Kampfrichterkarriere, so durchläuft man den Weg von der Kreislizenz (E) über die Bezirkslizenz (D) und die Landeslizenz (C) hin zu den nationalen Lizenzen (B und A). Ich bin derzeit Inhaber der nationalen Lizenz B und darf deshalb unter anderem auf Gruppenmeisterschaften, in der zweiten Bundesliga und in Ausnahmefällen auch auf deutschen Meisterschaften schiedsen.
Übrigens endet die Reise nicht bei DJB-A. Es folgen danach noch die kontinentale (IJF-B) und internationale Lizenz (IJF-A). Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
Da hast du aber schon einen großen Teil dieses Weges bestritten. Herzlichen Glückwunsch dazu. Warum ist der Kampfrichter im Judo eigentlich so wichtig und was reizt dich daran?
Wer einmal auf einem Wettkampf war, der weiß, wie heiß manche Kämpfe ausgetragen werden, wie viel Emotionalität man auf, aber vor allem neben der Matte erleben kann. Dann muss es schon eine unparteiische Person geben, die fokussiert auf das Judo entscheidet, wer von beiden Kämpfern den Sieg verdient hat. Eben jene Entscheidung sollte dann natürlich weitestgehend objektiv und regelkonform sein. Ich denke, es sind hauptsächlich diese beiden Eigenschaften, die einen Kampfrichter auszeichnen: Regelkenntnis bis ins kleinste Detail und die Unbefangenheit.
Weshalb ich Kampfrichter geworden bin, kann ich gar nicht sagen. Es war nicht so, dass das schon immer mein großer Traum war. Meinen ersten Lehrgang habe ich 2015 mit Timm und Basti nur deshalb besucht, weil Werner uns gefragt hatte, ob wir nicht Lust hätten. Seitdem war ich auf knapp 100 Wettkämpfen als Schiedsrichter im Einsatz. Dabei ist es hauptsächlich das schiedsen von Kämpfen, was mir Spaß bereitet. Auf der Matte stehen, Judo hautnah erleben und bewerten, was man sieht. Das ist aber längst nicht alles, was mich reizt. Wochenends auf Wettkämpfe zu fahren bedeutet für mich auch jedes Mal Freunde zu treffen, denn das sind viele meiner Kollegen.
Werner hat in seinem Porträt erzählt, dass es im Judo die berüchtigte „17-Meter-Linie“ nicht gibt, also, dass es im Judo auch gegenüber den Kampfrichtern immer höflich zugeht. Siehst du das auch so?
Damit hat Werner vollkommen Recht. Da wir im Sport alle die 10 Judowerte leben und vertreten begegnen einem die meisten respektvoll und höflich. Es ist aber auch unsere Aufgabe, Sportler und Trainer zu erziehen, wenn Sie jene Etikette nicht einhalten. Wenn ein Trainer seinen Sportler unentwegt etwas zuruft, das Kind vielleicht sogar schon weint, dann muss der Trainer eben ermahnt oder auch der Halle verwiesen werden. Das kommt vor und viele Trainer entschuldigen sich auch hinterher für ihr Verhalten. Genauso bei Sportlern, die mit ihrer Niederlage (noch) nicht umgehen können. Schon das kleinste Anzeichen reicht, um Sportler vom weiteren Turnier auszuschließen sei es nur ein Abwinken dem anderen Sportler oder mir gegenüber. Ich glaube, wenn Schiedsrichter im Fußball genauso vorgingen, wie wir im Judo, ginge es dort auch gesitteter zu.
Der Kampfrichter ist also mit dafür verantwortlich, dass wir der „weiße Sport“ bleiben und im Kampf alles fair abläuft. Gibt es den einen Kampf, bei dem du stolz bist, ihn als Kampfrichter geleitet zu haben?
Einen Kampf direkt nicht, aber ich bin stolz auf Turniere bei denen ich war. Ich weiß noch, als ich das erste Mal zu einer Landesmeisterschaft durfte. Damals war ich richtig aufgeregt und voller Vorfreude bei einer solchen Veranstaltung auf der Matte stehen zu dürfen. Ähnlich war es dieses Jahr bei der mitteldeutschen Meisterschaft. Das nächste Highlight, was hoffentlich auch stattfindet [Anmerkung: Das Interview findet im Jahr 2020 statt], sind die deutschen Hochschulmeisterschaften im Dezember, zu denen ich eingeladen bin. Mit ein wenig Glück kommt aber vorher noch ein Einsatz zum deutschen Jugendpokal hinzu, das steht aber noch in den Sternen.
Dafür drücken wir die Daumen. Was sind sonst deine persönlichen Lieblings-Judo-Momente oder Erlebnisse?
Mein bisheriges Highlight war auf jeden Fall meine Danprüfung, auf die ich mit Daniel so viele Monate hingearbeitet habe und dann nach einer kleinen Zitterpartie endlich meinen schwarzen Gürtel umlegen durfte.
Ebenso war es ein toller Moment, nach der Mitteldeutschen im Februar endlich den Bundesadler auf der Brust tragen zu dürfen.
Definitiv gehört es aber auch zu meinen Highlights, mit den Domfalken als Kämpfer unterwegs zu sein, die Matte unter Anfeuerungsrufen zu betreten und nach ein paar Minuten später siegreich zurückzukehren. Das Gefühl, wenn man seinen Partner auf den Rücken wirft oder eine Festhalte 20s gehalten hat und der Kampfrichter Ippon ruft, ist ein unbeschreiblich schönes.
Wenn ich in den Jahren eines gelernt habe, dann, das Judo kein Einzelsport ist. Man muss sich auf seinen Partner verlassen können, man vertraut sich ihm komplett an und es ist ein unglaubliches Gefühl dieses Vertrauen entgegengebracht zu bekommen!
Gefühlt kommen jedes Jahr neue Regeln, die das Judo verändern. Wie stehst du als Kampfrichter dazu?
Das ist nicht nur dein Gefühl… es ist tatsächlich so. Die ersten Turniere nach dem jährlichen Lehrgang sind immer schwer. Aber je mehr Kämpfe man leitet, desto mehr schleifen sich die Änderungen auch ein. Man muss aber in jedem Fall offen sein, für das, was da kommt.
Ist das denn sinnvoll, dass sich dauernd die Regeln ändern?
Ich persönliche finde das Bestreben der IJF schon sehr gut, die Regeln so anzupassen, dass sie für Zuschauer verständlicher werden. Nichtsdestotrotz hängt es immer von den jeweiligen Änderungen ab. Erfreut war ich zum Beispiel, als der Yuko als Wertung abgeschafft wurde und die Festhaltezeiten verringert wurden. Ich bin gespannt, was sich zu Beginn des kommenden Olympiazyklus wieder ändern wird, denn bekanntlich folgen in diesem Turnus immer gravierende Änderungen. In den Jahren dazwischen passieren oft nur kleine Änderungen von Regelinterpretationen.
Wenn man jetzt als Kampfrichter viel – sagen wir mal – höherklassiges Judo sieht, machen dann Kinderwettkämpfe eigentlich noch Spaß?
Eine sehr schwere Frage. Prinzipiell macht es mir mehr Spaß, höheren Altersklassen zuzusehen, da man dort das attraktivere Judo sieht. Nichtsdestotrotz machen auch Kinderwettkämpfe noch Spaß, wenngleich sie in meinem Kalender immer seltener werden. Wenn ich die Möglichkeit habe, gebe ich einem Turnier auf dem Erwachsene kämpfen potenziell eher den Vorrang, da sie mir die nötige Sicherheit geben für andere Wettkämpfe, auf denen ich benotet werde.
Das ist natürlich verständlich, so ganz frei kannst du dir deine Einsätze ja auch nicht mehr aussuchen.
Ein weiteres Problem, was gegen Wettkämpfe im Kinderbereich spricht, ist, dass die Jugendregeln zwischen den Bundesländern stark variieren können. Es ist schwer, sich die verschiedenen Regeln und Interpretationen zu merken, ohne beim Schiedsen durcheinander zu kommen.
Zu unserem Verein: Was gefällt dir am Judo in Naumburg?
Es ist mein Heimatverein, hier habe ich Judo gelernt. Dabei war es vor allem die Gemeinschaft, die mich gefesselt hat. Ich habe in keinem anderen Verein einen solchen Zusammenhalt kennengelernt. Und diesen Zusammenhalt gab es nicht nur unter den Sportlern, auch unter den Eltern entstanden enge Freundschaften.
Ich habe mich auch deshalb immer so wohl gefühlt, weil Werner uns Spaß am Judo vermitteln wollte und Leistung nie im Vordergrund stand. Wir sind zwar regelmäßig zu Wettkämpfen und Meisterschaften gefahren, aber nicht mit dem erklärten Ziel alles zu gewinnen, vielmehr stand der Spaß im Vordergrund. Dafür bin ich Werner nach wie vor unendlich dankbar!
Bis heute komme ich immer wieder gerne zurück nach Naumburg zum Training oder zum Randori. Es ist immer wieder wie ein nach-Hause-kommen.
Warum sollte man mit Judo anfangen?
Judo ist mehr als nur ein Sport, es ist eine Lebenseinstellung. Jeder kann Judo machen, unabhängig vom Alter. Dabei lernt man nicht nur den Sport an sich kennen, man bekommt auch die Judowerte vermittelt, allen voran Respekt, Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit. Judo ist auch mehr als stumpfes Eindreschen auf den Partner. Nicht Kraft ist das Erfolgsrezept zum Sieg, Technik und Taktik entscheiden jeden Kampf mit. Ich könnte hier noch so viele weitere Gründe aufzählen, denn jeder Judoka kann andere Gründe nennen, die ihn an diesem Sport begeistern. Ich möchte es hierbei belassen.
Schlusswort?
Danke für die Möglichkeit dieses Interviews und natürlich vielen Dank fürs Lesen. Wir sehen uns spätestens bei nächsten Wettkampf, bis dahin: Hajime!
Hallo Werner, danke, dass du dir die Zeit nimmst, etwas über das Judo bei den Friesen zu erzählen. Du bist ja quasi das Urgestein der Abteilung. Wie hat das denn in Naumburg mit dem Judo angefangen?
1958 glaube ich – aber da müsste ich nochmal nachforschen. Ich weiß, 1973 bekam die Gagarin-Schule eine neue Turnhalle; da fand dann die DDR-Meisterschaft im Judo statt. Das war so der Punkt, an dem sich Vieles hier entwickelte.
Und wann hast du mit Judo angefangen?
1975 hab ich einen Test in der Schule gemacht und da sagte mein Sportlehrer, ich soll‘ zum Boxen – das wollte ich zwar nicht, aber was in die Richtung konnte ich mir vorstellen. Der Bruder der Freundin eines Klassenkameraden war Judotrainer bei Dynamo-Naumburg und da haben wir gesagt „Los, da gehen wir hin.“ Der Trainer war Ronald Baumann – der lebt leider nicht mehr – mein Klassenkamerad hat später wieder aufgehört, aber ich bin geblieben.
In der Truppe da waren einige, die richtig gut waren, von Dynamo Hoppegarten kamen die ursprünglich zum Beispiel – das war damals ein richtig großer Name im DDR-Judo. Da gab es einen +100er, gegen den „durfte“ ich immer im Boden kämpfen – als damals -65er – das hat richtig Spaß gemacht mit dem. Das war zwar hart, aber wir hatten immer viel Spaß und so hab ich über die Gemeinschaft den Sport lieben gelernt.
Hast du noch ein paar Anekdoten aus der Zeit für uns?
Mal überlegen – Ich weiß noch, da gab es mal eine DDR-Meisterschaft in Halle oder Leipzig, weiß ich nicht mehr genau. Da wurde Dietmar Lorenz von irgendeinem Jungspund mit Uchi-mata weggehauen und durfte dann nicht zu den Olympischen Spielen nach Moskau deswegen – das war eine Sause. Da sieht man mal, wie spannend dieser Sport schon immer war. 1980 wurde Lorenz dann der erste deutsche Olympiasieger im Judo.
Meinen ersten Gürtel hat mir übrigens Walther Kühn aus Merseburg abgenommen – damals 4. Dan. Und noch einen Merseburger kenn ich schon aus der Zeit: Mit Volker Veit habe ich schon damals in der Brauhaushalle gekämpft, heute organisieren wir immer zusammen das Sachsen-Anhalt-Randori. Das ist schon toll – man arbeitet da mit Freunden, die etwas verbindet, was man kaum in Worte fassen kann. Ich hab Volker mal mein altes Startbuch gezeigt, in dem ein Kampf von uns drinsteht – da hat der Volker aber gelacht (lacht selbst)!
Und wie kam es, dass du Trainer geworden bist?
Das war so, 1996 konnte der damalige Trainer Michael Dietrich gesundheitlich nicht mehr. Da hat er uns – also Daniel und mich – ein bisschen „ins kalte Wasser“ geworfen, wie man so schön sagt: Er ging grinsend von der Matte und meinte „Ihr macht das schon.“ Da war Daniel auch gerade mal 16 oder 17. Ein Jahr später haben wir dann zusammen unseren Trainerschein gemacht, aber wie das so ist in dem Alter: 2002 oder 2003 war er dann erstmal weg wegen seiner Ausbildung.
2005 hat sich ja der Sportverein in Naumburg neu gegründet und du hast das dann alles alleine gemacht, richtig?
Jo – also, naja. Ganz alleine wäre zu viel gesagt. Ich hab mir viel Hilfe aus der Umgebung geholt: Elke und Detlef Hortsch aus Weißenfels haben mir geholfen, Joachim und Kevin Ladebeck aus Schönebeck, Hansi und Sylvia Strube aus Halle, Volker natürlich, genauso wie Walther Kühn und andere Merseburger. Aber auch unser heutiger amtierender Präsident Frank Schiller und unser Vizepräsident Wolfram Streso standen mir zur Seite – Wolfram kam mal extra aus Magdeburg her, um Prüfung bei uns abzunehmen. Ganz besonders hat mir Arwet Link aus Bad Kösen geholfen. Ohne die Hilfe aus dem ganzen Verband, hätte ich das nicht schaffen können – ich hab damals ja schon in Schichten gearbeitet.
Aber vor Ort warst ja doch immer du, oder?
Im Prinzip musste ich alles zusammenorganisieren, ja. Aber zu mir stießen dann auch welche, die mich hier regelmäßig unterstützt haben: Norman, Manuel, seine Frau, seine Schwester Michelle, Aka, unser Georgier – der war toll mit Kindern – Peter, Corina (die war eine ehemalige Bundesligakämpferin). Für mich war immer das wichtigste, dass kein Training ausfällt. Ich hab zum Teil Doppelschichten geschoben, um das Training abdecken zu können. Das große Problem war aber, dass viele von meinen Mitstreitern aufgrund der beruflichen Entwicklung immer irgendwann wieder weg waren. Ich bin ihnen aber allen sehr dankbar; ohne sie, hätte ich die Halle auch verschlossen lassen können.
Hast du aber nie. Und irgendwie ist da dann ja doch etwas Beständiges draus geworden, wie kam das?
(Lacht) Da stand eines Tages – ich glaube das war 2012 – Daniel wieder in der Tür und wollte eigentlich nur einen Stempel haben für die Polizei. So „Hallo Werner, lang nicht gesehen“ und so. Da hab ich ihn dann gleich requiriert für das Training am folgenden Montag. Und dann hat er doof geschaut, aber er wollte ja diesen Stempel, also hatte er keine Wahl. Aber er blieb dann irgendwie und dann haben wir uns immer abgesprochen – „Wie hast du Schicht? … Wie hast du Schicht …“ Das war dann auch der Moment ab dem wir auch mehr zu Wettkämpfen gefahren sind. Ab da traten wir mehr in Erscheinung in Sachsen-Anhalt.
Und für dich selbst war das ja auch ein neuer Punkt, oder? Hast du dann nicht mit Daniel deinen ersten Dan gemacht?
Ja, Daniel hat 2013 gesagt, dass ich endlich meinen schwarzen Gürtel machen soll. Ich hatte mich dafür schon … ich glaube viermal angemeldet, hatte aber nie einen Uke – so ist das in so einem kleinen Verein in einer kleinen Stadt.
Und da hab ich gesagt „Das machen wir nur, wenn ich dann bei deinem zweiten Dan falle!“ Und Daniel hat eingeschlagen. Am 13.07.2013 war dann der große Tag. Sylvia Strube, Hagen Wernecke und Wolfram Wagner waren meine Kommission und ich war tierisch nervös. Aber Daniel war als Uke so sicher – ich hätte mir nie einen Kopf machen brauchen. Zwei kleine Fehler hatte ich, der Rest war super und definitiv verdient. Ich war stolz drauf und hatte nie das Gefühl, ihn hinterhergeworfen zu bekommen, wie man das leider heute manchmal sieht.
(Lacht) Sylvia hat bei meiner Prüfung gesagt, dass das der teuerste erste Dan war, den es jemals gab. Ich hatte ja viermal auch schon bezahlt gehabt.
Was war das für ein Gefühl, als du dir endlich den schwarzen Gürtel umbinden konntest?
Dankbarkeit, eigentlich. Viele Jahre bin ich dem Ding hinterhergerannt, war der ewige Braungurt und dann war ich richtig erleichtert „Jetzt kannst du Judo.“ war mein Gedanke. Es war für mich ein i-Tüppfelchen und eine Belohnung für diese vielen harten Jahre das mehr oder weniger alleine zu machen.
Trotzdem lag dir ja dein persönlicher Erfolg nie vordergründig am Herzen, dafür hast du dein Herzblut in den letzten zehn Jahren auch ganz schön in das Sachsen-Anhalt-Randori gesteckt.
Das ist eine Geschichte! Die Idee ist entstanden, da saßen wir mal zusammen – ich weiß nicht mehr genau, wer da alles da war – und Volker meinte „Los, wir machen ein großes Randori!“ und das sollte aber auch was kontinuierliches sein. Eigentlich mit dem ursprünglichen Gedanken, vor dem Sparkassenpokal in Jena eine Vorbereitung für die Sportler aus Sachsen-Anhalt zu haben. Also haben wir zum Heilige-Drei-Könige-Feiertag angefangen. Das wurde gut angenommen, also haben wir am ersten Mai den „Kampftag der Judoka“ nachgeschoben und den Tag der Einheit im selben Jahr auch noch und bei diesen drei Feiertagen ist es geblieben. Und selbst bei langen Wochenenden finden die Leute zu uns und das bestätigt, dass wir es richtig machen und das freut mich riesig. Und manchmal bin ich in den Momenten traurig, dass ich selbst nie in den Wettkampfsport richtig eingestiegen bin und das ärgert mich heute ein bisschen.
Und trotzdem hast du die letzten zwei Jahre bei den Domfalken mitgekämpft?
Also zuallererst bin ich Trainer und wenn du als Trainer nicht vorangehst, dann kannst du nicht davon ausgehen, dass die anderen das nachmachen. Und ich habe gegen ganz tolle Leute kämpfen dürfen und das macht richtig Spaß. Aber ich hab im Moment so ein paar Wehwehchen in der Schulter und im Arm und da sollen mal lieber die Jungen ran (lacht)!
Das ist Teil der Judophilosophie: Siegen durch Nachgeben – Üben zum gegenseitigen Vorteil – oder für mich eher: Zum Wohle der Gemeinschaft. Das ist für mich ganz wichtig. In anderen Sportarten, selbst Mannschaftssportarten, kann man das so nicht beobachten. Obwohl Judo eine Einzelsportart ist, gibt es ein Gemeinschaftsgefühl. Und man sieht ja, wie gut das auch für unseren Verein ist. Der Norman und der Manuel, von denen ich vorhin erzählt hab, die sind ja wieder da, als Domfalken. Das ist echt toll. Ich freu mich total darüber!
Was ist deine Prognose für den Landesmannschaftscup dieses Jahr?
Ich will die rote Laterne nicht! Also müssen zwei Mannschaften nicht kommen (lacht) – quatsch, die jungen Kerle müssen ran und die müssen knüppeln! Gewinnen wird der SV Halle bestimmt wieder, obwohl die gegen den JC Halle natürlich hart werden kämpfen müssen. (Überlegt) Ich wünsch mir Platz sechs für uns – nicht Letzter und nicht Vorletzter!
Hast du einen persönlichen Lieblings-Judo-Moment?
Als Luci gesagt hat, sie geht auf die Sportschule, das hat mich so richtig glücklich gemacht. Und als Kalle dann nachzog. Und als Christian dieses Jahr Bundes-B-Kampfrichter geworden ist. Das freut mich, wenn die, die bei mir angefangen haben, ihren Weg gehen. Ich weiß noch, der Christian wollte eigentlich zum Karate, die hatten sich nur in der Halle geirrt, aber ich hab ihm einfach den Judoanzug angezogen und dabehalten (lacht). Ach, da fällt mir so viel ein …
Wir haben mal mit 65 Mann eine Schlauchboottour gemacht. Das war auch toll, wäre schön, wenn wir sowas mal wieder auf die Beine gestellt bekommen könnten. Wir haben viel erreicht in den letzten Jahren, da gib es nicht den einen Moment. Jetzt kommen ja auch schon die ersten Leute, die ich als Kinder hatte mit ihren Kindern zum Training – ich bin alt (lacht)!
Warum sollte man denn sein Kind zum Judo bringen?
Judo macht einfach Spaß. Man lernt seine eigenen Grenzen kennen und versucht die zu überwinden. Du bist für dich selbst verantwortlich aber eben auch für deinen Partner und deine Mannschaft, ohne die kannst du nicht vorwärts kommen. Man hat das Gefühl, man gehört zusammen, auch wenn man gegeneinander kämpft. Dazu kommt, dass im Judo eine sehr höfliche Sportart ist. Sowas wie die sprichwörtliche „17-Meter-Linie“ gibt es nicht, weil es nicht nötig ist.
Und natürlich sollte man Judo bei uns machen, weil bei uns Bombentrainer rumlaufen und weil bei uns eine gute Atmosphäre herrscht. Zum Beispiel haben wir ja immer mal den Stammtisch. Es geht bei uns nicht nur um den Sport, sondern auch um die Gemeinschaft und da geben wir uns viel Mühe, für alle was bieten zu können. Die Entwicklung im Verein gefällt mir sehr. Ich war mal ein Trainer, heute sind wir vier und ein Nachwuchstrainer und das werden noch mehr, das weiß ich. Wir haben zwei Mitglieder auf der Sportschule, einen Bundes-B-Kampfrichter und fünf Danträger, eine Männermannschaft, ein Wettkampfteam, organisieren Freizeitveranstaltungen und den Stammtisch. So falsch kann es also nicht sein, was wir hier machen.
Da muss man mal wieder sagen: Ich bedanke mich bei unseren Trainern, Eltern und Kindern für die Zeit und das Vertrauen in uns und hoffe, dass noch viele Kilometer unfallfrei für den Judosport von uns gefahren werden.
War das dein Schlusswort?
Eins hab ich noch: Judo soll Spaß machen, die Erfolge kommen dann von ganz alleine.